Gantry 5

1. Es gelang bis heute nicht, SCHWARZ weltweit akzeptabel zu machen.

Es ist für jede/n Schwarze(n) in der Fremde schwarz zu sein. Die meisten fühlen sich permanent diskriminiert: bei der Wohnungssuche, beim sich Bewerben für einen Job. Manche beginnen sich zu verfluchen. Mit der Zeit bildet man sich wohl mehr und mehr ein, es geht nicht, weil ich schwarz bin. Von da weg geht kaum mehr etwas.

Wenige kommen so weit, dass sie, wie der senegalesische Schriftsteller Wilfried N’Sondé, der heute in Berlin lebt, sagen können: „Alle müssen begreifen, dass die Hautfarbe wirklich nur eine Farbe ist und nichts weiter bedeutet, wie die Haarfarbe“.

Es gibt keinen Ausweg, selbst wenn man so vorgeht wie die Négritude eines Leopold S. Senghor, der ein Leben lang das Schwarzsein besang. Für ihn war schwarz schön oder Black is beautiful. Solches hilft nur insofern, indem es mehr Selbstsicherheit verleiht.

Viel stolzer als Afrikaner sind Menschen aus der Karibik auf ihr Schwarzsein, das sie stets gepflegt haben und nicht, wie viele in Afrika zu weissen, versuchen, indem Hunderte von Crèmes aus Paris importiert und aufgetragen werden.

Ganz bitter und tragisch wird es, wenn Schwarz sich in Hass verwandelt, wie etwa bei den Black Panthers in der 1960er Jahren.

 

2. Ein Albino zu sein ist der grösste Fluch auf Erden

In den ersten drei Monaten 2009 wurden allein im ostafrikanischen Tanzania 45 ermordete Albino offiziell registriert. In Wirklichkeit werden es das Doppelte gewesen sein. Die Regierung warnte das Volk, damit aufzuhören, um nicht Touristen und Ausländern einen Grund zu geben, Tanzania falle in „die dunkelste Zeit der Geschichte“ zurück. Premierminister Mizengo Pinda adoptierte, um ein Zeichen zu setzen, ein Albino-Mädchen.

Eigentlich kann es gar kein Rückfall sein, sondern ein Zeichen der modernen Verunsicherung sein, bei der mehr und mehr Hexenjagden aufkommen. Politiker versagen; Kirchenmänner wirken unglaubwürdig, also schiesst der Wildwuchs von Medizinmännern und Zaubern ins Kraut. Menschen hoffen, mit Teilen von Albinos plötzlich zu Reichtum zu kommen. Alle möchten rasch reich werden.

Erwachsenen Albinos werden Hände und Beine abgehackt; diese werden entweder gedörrt oder pulverisiert. Als besonders kostbar wird Albino-Blut angesehen. Aus dem zubereiteten Pulver oder den Amuletten verdienen Scharlatane heute Millionen von Schilling.

Gewöhnlich kommt es gar nicht so weit, denn die meisten Hebammen töten Albino Kinder gleich bei der Geburt.

Der Albinismus ist eine in Ostafrika relativ weit verbreitete Hautkrankheit oder eine Pigmentarmut in Kenya, Tanzania, Uganda und Burundi.

Woher kommt diese panische Angst vor den Albinos?  Eigentlich könnte es umgekehrt sein, indem der Albino als ein Mensch auf dem Weg zum Weissein gesehen wird. Nein, diese Menschen fielen dem Teufel von der Karre, d.h. sie kamen gar nicht richtig zur Welt. Es sind Zwischenwesen – weder im Himmel noch auf Erden.

 

3. „Wir essen doch keinen gelben Mais!“

Afrikas Menschen südlich der Sahara essen nur weissen Mais; selbst wenn es Hungersnot gibt, wird gelber Mais nicht angerührt. Gelber Mais ist unter ihrer Würde.

Woher mag das kommen? Anthropologen des Essens haben dieses Phänomen noch kaum erforscht. Von meiner Seite wage ich zwei Deutungen:

-    der Mais, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Sklavennahrung bei der Überfahrt in die „neue“ Welt eingesetzt wurde, war gelb. An die Sklaverei mag man nicht erinnert werden. Wir Weissen begreifen nicht, wie tief diese Wunden noch heute gehen.

-     der Mais, der meist als Nahrungsmittelhilfe eingesetzt wurde, war gelb. Also wiederum erinnert gelber Mais an traumatische Erlebnisse. Man müsste also, um satt zu werden, an zwei Ereignissen bitter kauen: das eigene Versagen und die Schande der Hilfe.

Man möchte nicht erinnert werden. Erinnerung öffnet alte und neue Wunden. Das mag der westliche Mensch nicht verstehen, aber für Afrikaner muss es tief gehen und wirklich sein. Unser gelber Mais wird also zum Zeichen der Überlegenheit einerseits und der Unterdrückung andererseits.

 

4. Die neue Nation ist ein Regenbogen

Südafrika ist eine aus vielen Völkern entstehende Nation; es ist gemischt durch und durch. Selbst das Schwarz ist hybrid. Weiss kann nicht mehr herausgeworfen werden; die Asiaten gehören dazu. Ja, Südafrika ist ein Vielvölkerstaat. Die Menschen haben das nach und nach zu internalisieren und akzeptieren. Tun sie das, dann entsteht der Regenbogen.

 

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Al Imfeld, 04. 2009