Gantry 5
  1. 
Selbst wer durch eine Mittelschule (Gymnasium) hindurch ging, bekam von seinem Land und von Afrika imsgesamt kein Wissen. Jeder Lehrer musste, wollten seine Schüler die Examen passieren, die Geschichte und Geografie entweder von der Grande Nation oder vom britischen Imperium lehren.


     
  2. Afrikanische Geschichte hatte keinen Platz. Wer das Lower Cambridge Examination bestehen wollte, musste britische Geschichte bis in nichtige Details hinein kennen. Im frankophonen Bereich war es genauso schlimm: alles war auf die Mutterstadt Paris und Madame France ausgerichtet; schliesslich hatte man im frankophonen Raum stets gelernt: „Unsere Vorfahren waren Gallier.“


     
  3. Die Kämpfer kannten daher bloss den Kolonialismus, welcher auch dauernd und bis heute in ihren Reden als einziges historisches Faktum präsent ist. Alles wird nur auf den Kolonialismus zurückgeführt; der Kolonialismus wurde masslos hypostasisiert und zu einem Mythos des ewigen Blutsaugers hochstilisiert. Differenzieren hat die heutige Politkaste noch nicht gelernt.


     
  4. Selbst von ihrer Kolonie wussten sie wenig und noch weniger von einem Land, das es so ohnehin nicht gegeben hatte, und wie all das in den jetzigen Zustand kam, etwa dass die Grenzen kolonial und willkürlich festgelegt wurden. Wie hätte man da an ein Nation-building herangehen können? Ja, beinahe pervers, kämpfte man für den Erhalt kolonialer Grenzziehung, etwa Äthiopien-Eritrea, Kamerun-Nigeria (Ende August 2008 beendet), Tschad-Sudan.


     
  5. Sie hatten nie ein Verständnis für Minderheiten erhalten oder ein Begreifen von anderen Kulturen inmitten der ihrigen, etwa Tuareg, Pygmäen und Khoisan. Ihnen geht bis heute jegliches Verständnis des Pastoralismus ab. Von Agrargeschichte haben sie höchstens Klischees übernommen.


     
  6. Selbst von der Natur wurden sie total entfremdet. Sie lernten den „Busch“ nicht lieben; er war für sie bloss Mittel zum Zweck. Natur hatte durch den Kolonialismus eine negative Bedeutung erhalten: Sie wollten nicht Naturmenschen, keine Naturreligion sein. Sie wollten hin zur Zivilisation – auch wenn diese widersprüchlich blieb.



 

Feststellung

Das ist Entfremdung auf jeder Ebene. Kein Ansatz zu einer Selbstkritik; sie nahmen sich viel zu ernst. Sie übertünchten ihre Unterlegenheit mit vorgetäuschter Überlegenheit. Sie wollten ihre Vergangenheit, die der Kolonialist abschätzig sah, hinter sich lassen. Also Zwiespalt über Zwiespalt.


Der Schwarze hat die Tendenz, alles zu überhöhen. Deshalb benutzt er auch in der Musik das Mikrophon. Scheinbar gibt es keine „afrikanische Musik“ mehr ohne Verstärker.